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Zahnarzthonorarklage, Abwehr und Drittwiderklage auf Schadenersatz

Aktenzeichen: 3 O 16/14

Verkündet am 11.10.2016

Landgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Rechtsstreit
der *** GmbH. vertr. d. d. Gf.***,
Klägerin,

des Herrn Dr. ***,
Drittwiderbeklagten.
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ***,

gegen

Frau *** Beklagte,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Bernd Brandt, Neusser Straße 182, 50733 Köln

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 05.07.2016
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ***, die Richterin *** und die Richterin am Landgericht ***

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Drittwiderklage wird der Drittwiderbeklagte verurteilt. an die
Beklagte ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.02.2013 sowie
Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 564.65 € zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche materiellen und zukünftige unvorhergesehene immaterielle Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung vom 23.12.2011 bis 13.06.2012 zurückzuführen sind, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die weitergehende Drittwiderklage wird abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin 26 %, die Beklagte 21 % und der Drittwiderbeklagte 53 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt die Beklagte 29 %. Im Ubrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Drittwiderbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:
Gegenstand der Klage ist ein Honoraranspruch aus abgetretenem Recht, Gegenstand der Drittwiderklage sind Ansprüche wegen angeblich fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung.

Die am 7.3.1957 geborene Beklagte befand sich vom 23.12.2011 bis 13.6.2012 bei dem Drittwiderbeklagten in zahnärztlicher Behandlung. Der Drittwiderbeklagte nahm bei der Beklagten am 29.3.2012 eine Zystektomie in den Regionen 18 und 28 vor. Es folgte am 26.4.2012 ein Sinuslift sowie ein Aufbau des Alveolarfortsatzes (Augmentation) im Oberkiefer rechts. Nach der Operation litt die Beklagte an starken Schmerzen: die operierte Gesichtsseite war blau und stark geschwollen.

Die Klägerin stellte unter dem 2.4.2012 eine Rechnung über den am 29.3.2012 durchgeführten Eingriff (Zystektomie) in Höhe von 1.330.74 EUR (Anl. B1. BI. 64 f der Akte). Die Beklagte beglich diese Rechnung — wie sie behauptet — versehentlich.

Am 7.5.2012 stellte die Klägerin eine Rechnung über die Leistungen des Drittwiderbeklagten in der Zeit vom 2.4.2012 bis 3.5.2012 (Sinuslift und Aufbau des Alveolarfortsatzes) in Höhe von 3.717,21 EUR (Anl. K1, BI. 28 ff. der Akte). Mit Schreiben vom 31.8.2012 (Anlage K10. BI. 108 der Akte) stornierte die Klägerin diese Rechnung in Höhe eines Betrages von 1.077,98 E. Die Beklagte zahlte am 3.7.2012 einen Teilbetrag von 804.54 EUR, so dass noch ein Restbetrag in Höhe der Klageforderung offen blieb.
Neben der Hauptforderung macht die Klägerin 6,50 € an Auslagen für ein Mahnschreiben vom 19.09.2012 (Anlage K4, BI. 33 der Akte) und weitere 192,90 € an vorprozessualen Anwaltskosten geltend.

Die Klägerin beantragt.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.834,69 EUR zuzüglich Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz hieraus ab dem 10.7.2012 sowie weitere 199,40 EUR zuzüglich Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus 192,90 EUR ab dem 3.1.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wirft dem Drittwiderbeklagten Behandlungsfehler vor.
Hinsichtlich der Zystektomie in Regio 18 und 28 behauptet sie, es habe gar keine behandlungsbedürftigen Zysten gegeben. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Drittwiderbeklagte keine histologische Untersuchung angeordnet habe. Mangels medizinischer Indikation für den Eingriff stehe dem Drittwiderbeklagten bzw. der Klägerin ein Honorar für diese Leistung nicht zu. Gegen die Klageforderung erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit dem behaupteten Erstattungsanspruch in Höhe von 1.330.74 EUR.

Hinsichtlich des Sinuslift behauptet die Beklagte, der Drittwiderbeklagte habe sie über den weitreichenden operativen Eingriff und dessen Risiken nicht aufgeklärt. Bei gehöriger Aufklärung hätte sie den Eingriff nicht oder jedenfalls nicht beim Drittwiderbeklagten. sondern allenfalls im Rahmen eines stationären Aufenthaltes durchführen lassen. Im Rahmen des Eingriffs am 26.4.2012 habe sie einen Kreislaufkollaps erlitten. Nach dem Eingriff habe sie Schwindelanfälle gehabt. Es hätten sich Membranstücke gelöst, was auf einen Behandlungsfehler hindeute. Bis heute leide sie an Schmerzen. welche bis zur rechten Seite der Nase reichen würden. sowie an Missempfindungen. Im Bereich des durchgeführten Knochenaufbaus befinde sich eine ausgeprägte Narbe. Der angestrebte Knochenaufbau sei im Ergebnis erfolglos geblieben. Ferner habe der Drittwiderbeklagte die Brücke im Oberkiefer rechts unsachgemäß geschliffen. so dass die Brücke nach Verschwinden des Augmentats unbrauchbar geworden sei.
Wegen der erlittenen Beeinträchtigungen hält die Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.000 € für angemessen

Schließlich wirft die Beklagte dem Drittwiderbeklagten Abrechnungsfehler vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf BI. 59 f. der Akte Bezug genommen.

Widerklagend beantragt die Beklagte.
1. den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.000 EUR. nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.2.2013. sowie Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. .1.019,83 EUR zu zahlen:
2. festzustellen. dass der Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen materiellen und noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte Behandlung vom 23.12.2011 bis 13.6.2012 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, oder noch übergehen werden.

Der Drittwiderbeklagte beantragt,
die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte behaupten, die Behandlung sei lege artis erfolgt. Schmerzen, Schwellungen und eine blaue Verfärbung der operierten Gesichtsseite seien im Rahmen eines so erheblichen operativen Eingriffs wie dem Sinuslift völlig normal. Die Beklagte sei zudem ausreichend aufgeklärt worden. Bereits am 17.1.2012 sei ein erstes Gespräch über den Sinuslift geführt worden. Am 30.1., am 8.2. sowie am 14.2.2012 sei die Beklagte zudem in Behandlung bei Frau Dr. *** gewesen, die zwar Hals-Nasen-Ohren-Ärztin sei, mit der Beklagten aber auch über den geplanten Eingriff gesprochen habe. Weitere Aufklärungsgespräche hätten am 29.03.2012 und am 2.4.2012 stattgefunden. Ferner habe der Drittwiderbeklagte der Beklagten frühzeitig schriftliche Informationen bezüglich der Zystektomie sowie des Sinuslift überreicht (Anl. K6 – K8, Bi. 101 ff. der Akte). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 15.09.2014 (BI. 156 ff. der Akte) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. *** vom 08.12.2014 (BI. 172 ff. der Akte) sowie das Sitzungsprotokoll vom 05.07.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet, die zulässige Drittwiderklage ist überwiegend begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Honoraranspruch aus abgetretenem Recht nicht mehr zu. Aus der streitgegenständlichen Rechnung vom 07.05.2012 (Anlage K1, BI. 28 ff. der Akte) hat die Klägerin nach teilweiser Stornierung des Rechnungsbetrages i.H.v. 1.077,98 € (wobei ein Kürzungsbetrag von 335,55 € ausweislich des unbestrittenen Klägervortrags im Schriftsatz vom 26.03.2014 auf die
GOZ-Position 9100 und der verbleibende Kürzungsbetrag von 742,43 € mithin auf die GOA-Positionen 2697a und 2698a entfiel) und Teilzahlung der Beklagten von 804,54 noch 1.834,69 geltend gemacht. Aus dieser Rechnung sind noch weitere Rechnungspositionen zu streichen, da diese nicht medizinisch indiziert waren. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. *** hat mit ausführlicher und überzeugender Begründung ausgeführt, dass der vom Drittwiderbeklagten durchgeführte Aufbau des Alveolarfortsatzes in den Regionen 15 und 16 nicht erforderlich gewesen sei, weil an dieser Stelle — vor der Behandlung durch den Drittwiderbeklagten — ausreichend natürlicher Knochen für die Einbringung eines Implantats vorhanden gewesen sei. Zu dieser Schlussfolgerung ist der Sachverständige nach Auswertung des vom Drittwiderbeklagten am 23.12.2011 angefertigten Röntgenbildes gelangt. welches ausweise, dass in dieser Region eine ausreichende Menge an Alveolarknochen zur Aufnahme von den dentalen Implantaten vorhanden gewesen sei. Selbst eine kurz vor der Untersuchung der Beklagten durch den Gutachter angefertigte DVT- Röntgenaufnahme des Nachbehandlers Dr. *** vom 18.11.2014 zeige, dass im Bereich des Zahnes 15 eine Rest noch i.H.v. 13 mm gegeben sei, obwohl der Knochenaufbau scheiterte und die Knochenhöhe durch den Drittwiderbeklagten dezimiert wurde. was ebenfalls belege, dass in dieser Region der Versuch einer Anhebung des vertikalen Knochens keinen medizinischen Grund gehabt habe.
Die auf diese Behandlungsmaßnahme entfallenden Rechnungspositionen sind mithin aus der streitgegenständlichen Rechnung zu streichen. Dies betrifft nach dem schriftlichen Gutachten sowie der
mündlichen Erläuterung durch den
Sachverständigen die folgenden Positionen:
GOZ 9100: 176.77
GOA 2442: 120,66
GOÄ 2675: 113.94
GOA 2697a und 2698a: 69,31

Verbrauchsmaterialien (Sonic Folie. Sonic Pins. Sonic Vorbohrer): 705,13 €
In der Summe ergibt sich ein Kürzungsbetrag von 1.185,81 € so dass von der streitgegenständlichen Rechnung eine berechtigte Honorarforderung von 648,88 € verblieb.

Soweit die Beklagte weitere Abrechnungsfehler in ihrer Klageerwiderung behauptet hat, sind diese vom Sachverständigen nicht bestätigt worden.
Die offene Honorarforderung ist jedoch durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einer Rückzahlungsforderung in Höhe von 1.330.74 € erloschen. Der Rückzahlungsanspruch folgt aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, da die Beklagte die Rechnung der Klägerin vom 02.04.2012 über den am 29.03.2012 durchgeführten Eingriff i.H.v. 1.330,47 ausgeglichen hat, obwohl ein entsprechender Honoraranspruch des Drittwiderbeklagten nicht entstanden war. Dem dieser Rechnung zugrunde liegenden Eingriff fehlte jede medizinische Indikation. Auch dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. So hat der Sachverständige schon in seinem Gutachten vom 08.12.2014 festgestellt. dass sich weder dem Röntgenbild, das den Zustand vor der Behandlung durch den Drittwiderbeklagten zeigt, noch der weiteren Dokumentation des Drittwiderbeklagten ein Anhalt für den Verdacht des Vorliegens dentogener Zysten in den behandelten Regionen 18 und 28 entnehmen lasse. Diese Feststellung hat er anlässlich der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bestätigt. Auf den Vorhalt seitens des Drittwiderbeklagten, wonach dieser nicht im eigentlichen Sinne eine Zystektomie durchgeführt habe sondern „Herde entfernt“ habe und dies nur als Zystektomie abrechnen könne. hat der Sachverständige nach erneuter Durchsicht der präoperativen Bildgebung bekräftigt, dass auch für solche Herde kein Anhalt zu finden sei.

Die vorstehend wiedergegebenen gutachterlichen Feststellungen konnte die Kammer ihrer Entscheidung uneingeschränkt zugrundelegen. Hierbei hat sie zunächst berücksichtigt, dass die fachliche Kompetenz des Sachverständigen Dr. *** unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten folgen solche Zweifel insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der Sachverständige Dr. *** kein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger auf dem Gebiet der Zahnheilkunde ist. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte gehen auch fehl in der Annahme. dass das Gericht nach § 404 Abs. 2 ZPO verpflichtet sei, einen öffentlich bestellten Sachverständigen zu benennen; diese Vorschrift ist eine reine Ordnungsvorschrift und bindet das Gericht nicht (Greger in Zöller. ZPO. 31. Aufl. 2016, § 404 Rn. 2). Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der zitierten Entscheidung des BGH vom 13.07.2016 (Az. XII ZB 46/15, juris). Danach genügt für die Geeignetheit eines medizinischen Sachverständigen gerade die Feststellung des Gerichts, dass es sich um einen Arzt mit Erfahrung auf dem entsprechenden Gebiet handelt.

Der Sachverständige Dr. *** bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen zahnärztlichen Tätigkeit, sondern ist überdies ein umfassend erfahrener Gerichtsgutachter, der der Kammer aus insgesamt 79 Verfahren bekannt ist. Der Sachverständige hat seine Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend zu begründen vermocht. Die Grundlagen seiner Erkenntnisse, insbesondere die von ihm eingesehenen vollständigen ärztlichen Behandlungsunterlagen und die Ergebnisse bildgebender Verfahren, hat er durchgängig kenntlich gemacht und im einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar so, dass sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang anschließt.

Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach in den Regionen 18 und 28 behandlungsbedürftige Zysten oder Herde nicht vorgelegen haben, wird durch die von der Kläger- und Drittwiderbeklagtenseite in der Stellungnahmefrist vorgelegte Stellungnahme des Prof. Prof. Dr. med. dent. *** nicht in Zweifel gezogen. Dr. *** hat anlässlich der mündlichen Erörterung des Gutachtens das präoperative Röntgenbild auch in digitaler Form noch einmal angeschaut und nachvollziehbar ausgeführt, dass er eine Knochendichtigkeit von je 3 bis 4 erkennen könne. Zudem hat er darauf verwiesen, dass auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen behandlungsbedürftige Herde nicht festgestellt habe. Demgegenüber sind die Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. *** schon widersprüchlich, da er zum einen ausführt, bei den Restostitiden, unter denen die Beklagte gelitten habe, handle es sich um „Umwandlungen von hartem Knochengewebe in bindegewebige Weichgewebe“ und eben nicht um eine Zyste. die meist ballförmig in den umgebenden Knochen wachse und mit einer Membran gegen den Knochen abgedichtet sei, zum anderen aber auf dem Röntgenbild bei Zahn 18 distal einen Hohlraum sehen will. Gleichzeitig räumt er ein, dass es für einen schulmedizinisch orientierten Zahnarzt — wie es der gerichtliche Sachverständige ist — schlechterdings nicht möglich sei. einen solchen Herd auf einem Röntgenbild zu sehen.
Vor dem Hintergrund einer schulmedizinisch nicht eindeutigen Diagnose hätte der Drittwiderbeklagte jedoch weitergehende Diagnostik unter Einbeziehung moderner bildgebender Verfahren anstellen oder eine pathohistologische Untersuchung veranlassen müssen, insbesondere um auszuschließen, dass es sich um typische altersbedingte Veränderungen des Knochens handelte (OLG Zweibrücken. Urteil vom 02.12.2003, Az. 5 U 23/02, Rn. 29 ff., juris). Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn sich die Beklagte ausdrücklich damit einverstanden erklärt hätte, dass ihre Behandlung und Untersuchung nicht nach den Regeln der Schulmedizin, sondern nach einer „ganzheitlichen“, d.h. naturheilkundlich ausgerichteten (Außenseiter-)Methode erfolgen sollte. Dass dies der Fall war, hat der Beklagte jedoch zu keinem Zeitpunkt behauptet.
Vor diesem Hintergrund bedarf es hier weder der von der Klägerin- und Drittwiderbeklagten Seite mit Schriftsatz vom 14.09.2016 beantragten Einholung eines Obergutachtens noch der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Dr. ***. Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Die Einholung eines weiteren Gutachtens steht regelmäßig im Ermessen des Gerichts und ist nur ausnahmsweise geboten. So darf und muss das Gericht, wenn es aus dem Gutachten trotz Ergänzung oder Anhörung des Sachverständigen keine sichere Überzeugung gewinnt, eine neue Begutachtung anordnen. z.B wenn besonders schwierige Fragen zu lösen oder grobe Mängel des vorhandenen Gutachtens wie Unvollständigkeit nicht zu beseitigen sind oder wenn etwa die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist (OLG München, Urteil vom 17.5.2013, Az. 25 U 2548/12, Rn. 24, juris). All dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr bietet das Sachverständigengutachten nach dem oben gesagten eine ausreichende und überzeugende Entscheidungsgrundlage.
Mangels eines Hauptanspruchs kann die Klägerin die Erstattung vorprozessualer Anwalts- oder Mahnkosten nicht verlangen.
Die Drittwiderklage war im ausgesprochenen Umfang begründet.

Der Beklagten steht gegen den Drittwiderbeklagten ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes i.H.v. 4.000,00 € sowie auf Feststellung der weiteren materiellen und immateriellen Ersatzpflicht aus den §§ 280 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Behandlungsvertrag bzw. aus § 823 BGB zu.

Maßgeblich für die Bemessung der nach § 253 BGB zu gewährenden billigen Entschädigung in Geld sind die Schwere der Gesundheitsverletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer. das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGHZ 138. 388, 391). Alle diese Umstände sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen und in eine angemessene Beziehung zur Entschädigung zu setzen (BGH VersR 1988, 943; VersR 1991, 350, 351; BGHZ 138, 388. 391:). Dabei soll das Schmerzensgeld in erster Linie einen Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen darstellen.

Nach dem oben Gesagten steht zunächst fest, dass die Beklagte sich am 29.03.2012 einer unnötigen, weil medizinisch nicht notwendigen und zudem — so weiter der Sachverständige Dr. *** in seinem schriftlichen Gutachten — sehr invasiven chirurgischen Maßnahme unterzogen hat und entsprechende Beeinträchtigungen in der Abheilphase in Kauf nehmen musste. Mit Blick auf die in der Folgezeit erforderlich gewordene endodontische Behandlung des Zahnes 18 hat Dr. *** anlässlich der mündlichen Erläuterung jedoch klargestellt, dass diese nicht der destruktiven Behandlung durch den Drittwiderbeklagten, sondern mit weit über 90 %iger Wahrscheinlichkeit der Grunderkrankung geschuldet war. Hierzu hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt. dass bereits auf dem Röntgenbild vom 26.04.2012 erkennbar sei. dass dieser Zahn eine starke grunderkrankungsbedingte Zerstörung aufwies.

Ferner steht nach dem oben Gesagten fest. dass der Versuch des Aufbaus des Alveolarfortsatzes in den Regionen 15 und 16 medizinisch nicht indiziert war. dass die Beklagte also einen weit größeren chirurgischen Eingriff über sich ergehen lassen hat, als dies lediglich bei dem — vom Sachverständigen als medizinisch notwendig erachteten — Sinuslift der Fall gewesen wäre. Dabei sei — so weiter der Sachverständige. dem die Kammer auch insoweit folgt — die Kompaktalamelle großflächig weggefräst und Knochensubstanz stark dezimiert worden, was dazu führe, dass die nunmehr notwendige Rehabilitation ungleich schwerer sein werde. Ferner leidet die Beklagte bis heute an eine Vernarbung der rechten Kieferseite und den daraus resultierenden Schmerzen der rechten Gesichtsseite.
Soweit die Beklagte darüber hinaus behauptet hat, sie habe unmittelbar nach der zweiten Operation starke Schmerzen erlitten, da der Drittwiderbeklagte es versäumt habe, die bei der Augmentation des Alveolarfortsatzes entstandene Wunde durch eine Membran zu verschließen, konnten dies nicht weiter schmerzensgelderhöhend berücksichtigt werden. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Drittwiderbeklagte den spannungsfreien Verschluss der Wunde durch Einbringung einer Bio-Gide-Membran unterlassen hat. So hat der Sachverständige erklärt, aus der Dokumentation der Uniklinik Köln, wonach Material aus der Wunde gekommen sei. sei nicht zwingend zu schließen, dass die Wunde tatsächlich nicht spannungsfrei verschlossen worden sei. Zwar hat der Drittwiderbeklagte diese Membran nicht abgerechnet: das chirurgische Protokoll vom 26.04.2012 (BI. 48 f. des BU Hefts) weist jedoch die Verwendung einer Bio­Gide-Membran aus. Danach sind die Heilungsstörungen nicht auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen, sondern als schicksalhaft anzusehen.

Mit Blick auf den Sinuslift vermag die Kammer eine Aufklärungspflichtverletzung durch den Drittwiderbeklagten mit der Folge, dass eine wirksame Einwilligung der Beklagten in diesen Eingriff nicht bestand und sie nunmehr auch für die damit im Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen zu entschädigen wäre, nicht zu erkennen. Zwar mag sich — so der Sachverständige — mit der Entzündung der Kieferhöhle, welche bei der Beklagten eingetreten sei, ein aufklärungspflichtiges Risiko des Sinuslift verwirklicht haben. Es fehlt aber jedenfalls an der Darlegung eines Entscheidungskonflikts durch die Beklagte. Diese hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung angegeben, wäre sie entsprechend über das Entzündungsrisiko aufgeklärt worden, wisse sie nicht, was sie getan hätte. Auch die weitere Einlassung der Beklagten. sie hätte noch einen anderen Arzt befragt oder sich an einen Spezialisten gewendet, genügt für die Darlegung eines plausiblen Entscheidungskonflikts nicht (Martis/VVinkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 2014, Rn. A 1909a).

Eine weitere Aufklärungspflicht mit Blick auf die Frage, ob ein interner oder ein externer Sinuslift durchgeführt wird. bestand nicht. Denn der Arzt muss nicht über unterschiedliche. hinsichtlich Chancen und Risiken im Wesentlichen gleichwertige Operationstechniken bzw. Zugangsmöglichkeiten zum Operationsgebiet aufklären (MartisiWinkhart a.a.O., Rn. A 1224, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dass der interne Sinuslift im vorliegenden Behandlungsfall der sicherere Weg gewesen wäre, mithin keine Gleichwertigkeit zwischen den Operationstechniken bestanden hätte, ergab sich aber gerade nicht aus den Ausführungen des Sachverständigen.

Schließlich war die angebliche CMD-Symptomatik der Beklagten ebenfalls nicht weiter schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Insofern hat der gerichtliche Sachverständige ausgeführt. dass zum Zeitpunkt der gutachterlichen Befundung Anzeichen einer destruktiven CMD-Erkrankung nicht erkennbar gewesen seien.

Der Zinsanspruch hinsichtlich des ausgesprochenen Schmerzensgeldbetrages folgt aus den §§ 280 Abs 1, Abs. 2, 286 Abs. 1. 288 Abs. 1 BGB. Der Drittwiderbeklagte ist mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15.02.2013 unter Fristsetzung bis zum 28.02.2013 zur Zahlung von Schmerzensgeld aufgefordert worden.

Ferner steht der Beklagten ein Anspruch auf Feststellung der weiteren materiellen und immateriellen Ersatzpflicht des Beklagten für Folgen aus der fehlerhaften Behandlung zu. Dies gilt namentlich mit Blick auf Zahn 14. der nach den ausführlichen und überzeugenden Darstellungen des Sachverständigen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % im Rahmen des Sinuslift durch den Drittwiderbeklagten angebohrt und dadurch dauerhaft geschädigt worden sei. Die Schädigung wirke sich zwar derzeit nicht akut aus, die Erforderlichkeit endodontischer Behandlung dieses Zahnes sei jedoch wahrscheinlich.

Dass die Beschädigung dieses Zahnes durch den Drittwiderbeklagten verursacht wurde, hat der Sachverständige in jeder Hinsicht nachvollziehbar anhand eines Vergleichs des präoperativen Röntgenbildes einerseits und zweier postoperativen Röntgenaufnahmen andererseits dargestellt. Der Einwand des Drittwiderbeklagten, der Sachverständige habe nicht sämtliche Behandlungsunterlagen der Nachbehandler gesichtet. daher könne es sein, dass die Anbohrung des Zahns 14 durch einen anderen Behandler zugefügt worden ist, verfängt nicht. Vielmehr lag dem Sachverständigen die Behandlungsdokumentation von 15 weiteren Behandlern vor, wovon sich der Kläger- und Drittwiderbeklagtenvertreter auch überzeugen konnte, da er noch vor Übersendung der Gerichtsakte an den Sachverständigen Akteneinsicht genommen hat (vergleiche Schriftsatz vom 03.09.2014. BI. 159 der Akte). Die Behauptung, die Verletzung eines dem operierten Gebiet benachbarten Zahns sei durch einen anderen Arzt zugefügt worden, erfolgt mithin ersichtlich ins Blaue hinein.

Die Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten steht der Beklagten gegen den Drittwiderbeklagten aus einem Gegenstandswert in Höhe von 5.000,00 € (4.000.00 € Schmerzensgeld zzgl. 1.000,00 € Feststellungsanspruch) zu. Diese belaufen sich bei einer Geschäftsgebühr von 1,5 auf 454.50 €. Hinzuzusetzen war die Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 EUR sowie die Mehrwertsteuer (90,15 €), sodass sich eine Gesamtforderung von 564,65 € ergibt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1. 708 Nr. 11. 709, 711 ZPO (Baumbach’sche Kostenformel).
Streitwert:
Klage: 2.483.35 € (§ 45 Abs. 3 GKG)
Drittwiderklage: 7.000,00 € (5.000,00 € + 2.000.00 €)
gesamt: 9.483,35 €