21 C 42/10
Verkündet am 05.08.2011
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der ***,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ***
gegen
Herrn ***,
Beklagten,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Brandl, Gleueler Straße 227, 50935 Köln
hat das Amtsgericht Brühl
auf die mündliche Verhandlung vom 08.07.2011
durch die Richterin ***
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 87% und der Beklagte zu 13%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten zahnärztliche Behandlungskosten aus abgetretenem Recht.
Die Zedentin betreibt eine Zahnarztpraxis. Der Beklagte beauftragte die Zedentin mit der Erbringung zahnärztlicher Leistungen, insbesondere mit der Anfertigung einer Oberkiefer-Totalprothese und einer Unterkiefer-Teleskopprothese. Die Behandlung wurde durch Herrn Dr. *** vorgenommen. Die Prothesen wurden vereinbarungsgemäß teilweise in Thailand hergestellt.
Mit Liquidation vom 06.08.2009 (Anlage K2, Bl. 6 ff d.A.) wurde der Beklagte zum Ausgleich der geltend gemachten Honorarforderung in Höhe von 3.544,62 € aufgefordert.
Mit Schreiben vom 26.08.2009 rügte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Ordnungsgemäßheit des angefertigten Zahnersatzes unter Hinweis auf diverse angebliche Mängel und forderte eine Nacherfüllung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 26.08.2009 (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen..
Da eine Zahlung ausblieb, wurde der Beklagte mit Schreiben vom 24.09.2009 und 08.10.2009 erfolglos gemahnt. Mit Schreiben vom 28.09.2009 (Bl. 17 d.A.) teilte der Beklagte mit, dass er erst nach ordnungsgemäßer Leistung zahlen werde.
Die Klägerin behauptet, die zahnärztlichen Leistungen seien nach den Regeln der ärztlichen Heilkunst erbracht worden. Soweit die Teleskopkronen im Unterkiefer erneuert werden müssten, sei dies auf eine mangelhafte Mundhygiene des Beklagten zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.544,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2009 und 38,50 € Mahnkosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Zahnersatz sei mangelhaft. Dazu behauptet er, der Zahnersatz sei optisch fast gar nicht vorhanden und entspreche nicht dem Wachsabdruck. Ferner lockere sich der Zahnersatz beim Essen. Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einem angeblichen Schmerzensgeldanspruch, welchen er der Höhe nach ins Ermessen des Gerichts stellt. Hierzu behauptet er, normales Essen sei wegen einer Einschränkung der Kaufunktion aufgrund des unbrauchbaren Zahnersatzes im Unterkiefer nicht mehr möglich.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 20.04.2010 (Bl. 28 d.A.), 26.10.2010 (Bl. 92 d.A.), 19.01.2011 (Bl. 121 d.A.), 26.01.2011 (Bl. 126 d.A.) und 28.03.2011 (Bl. 148 d.A.) durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Schorr. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom 02.09.2010 (Bl. 57 ff d.A.), 06.12.2010 (Bl. 101 ff d.A.) und 08.03.2011 (Bl. 136 ff d.A.) sowie auf das mündliche Gutachten im Sitzungsprotokoll vom 08.07.2011 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klageforderung ist zwar in Höhe von 550,00 € entstanden, sie ist jedoch durch die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.
Der Klägerin stand ursprünglich ein Honoraranspruch in Höhe von 550,00 € für die ärztliche Behandlung des Oberkiefers gemäß § 611 BGB zu. Der darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachte Honoraranspruch für die ärztliche Behandlung des Unterkiefers besteht aufgrund der Unbrauchbarkeit der Teilprothese nicht. Diesbezüglich steht dem Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von jedenfalls 550,00 € zu, mit dem er den bestehenden Honoraranspruch zu Fall bringen kann.
Im Einzelnen:
Der Klägerin stand ursprünglich ein Honoraranspruch aus abgetretenem Recht in Höhe von 550,00 € für die ärztliche Behandlung gemäß § 611 BGB i.V.m. § 398 BGB zu. Ein weitergehender Honoraranspruch besteht nicht.
Der zahnprothetische Behandlungsvertrag zwischen der Zedentin und dem Beklagten ist als Dienstvertrag zu qualifizieren, denn zahnärztliche Leistungen sind grundsätzlich Dienste höherer Art (BGH Urteil vom 09.12.2974 – Az. VII ZR 182/73; OLG Zweibrücken Urteil vom 20.11.2001 – Az. 5 U 20/01; KG Berlin Beschluss vom 01.07.2010 – Az. 20 W 23/10; OLG Oldenburg Urteil vom 27.02.2008 – Az. 5 U 22/07). Ein Arzt verspricht regelmäßig nur die sachgerechte Behandlung des Kranken, also seine ärztliche Tätigkeit, nicht aber den gewünschten Erfolg.
Der Honoraranspruch steht der Klägerin nur insoweit zu, wie die Zedentin eine sachgerechte Behandlung, also eine Behandlung lege artis vorgenommen hat. Darüber, dass dann, wenn die Dienstleistung wegen der vom Arzt zu vertretenden Schlechterfüllung für den Patienten unbrauchbar ist, dieser berechtigt ist, im Umfang der Unbrauchbarkeit die Bezahlung der Vergütung zu verweigern, ist sich die herrschende Rechtsprechung bei unterschiedlichem dogmatischem Ansatz jedenfalls im Ergebnis einig (KG Berlin Beschluss vom 01.07.2010 – Az. 20 W 23/10; OLG Oldenburg Urteil vom 27.2.2008 – Az. 5 U 22/07; OLG Hamburg Urteil vom 25.11.2005-Az. 1 U 6/05; OLG Hamm Urteil vom 2.11.2005-Az. 3 U 290/04; OLG Zweibrücken Urteil vom 20.11.2001 – Az. 5 U 20/01; OLG Köln Urteil vom 26.5.1986 – Az. 7 U 77/84 jeweils m.w.N). Ob dieses Ergebnis rechtskonstruktiv in der Weise zu begründen ist, dass ein aufrechenbarer Schadensanspruch bejaht (OLG München Urteil vom 12.06.1997 -Az. 1 U 1704/97), eine begründete „dolo-petit“-Einrede nach § 242 BGB angenommen, dem Patienten die (dauerhafte) Einrede des nicht erfüllten
Vertrages nach § 320 BGB an die Hand gegeben, eine Kündigung nach § 628 Abs. 1
BGB (OLG Hamburg Urteil vom 25.11.2005 – Az. 1 U 6/05) angenommen oder ein inhaltlich auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch zuerkannt wird (OLG Köln Urteil vom 26.5.1986 – Az. 7 U 77/84), mag dahinstehen. Ein Schadensersatzanspruch des Patienten aus positiver Vertragsverletzung kann dem Vergütungsanspruch des Zahnarztes jedenfalls entgegengehalten werden, ohne dass es einer Aufrechnungserklärung bedarf (OLG Zweibrücken Urteil vom 20.11.2001 – Az. 5 U 20/01; OLG Köln Urteil vom 26.5.1986 – Az. 7 U 77/84). Der Ersatzanspruch ist nämlich in erster Linie darauf gerichtet, wegen der festgestellten Behandlungsmängel für diese Dienstleistung keine Vergütung zahlen zu müssen. (OLG Hamm Urteil vom 2.11.2005 – Az. 3 U 290/04; OLG Zweibrücken Urteil vom 20.11.2001 – Az. 5 U 20/01). Die Rechtsfolge der Befreiung von der Vergütungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Inhalt des Schadensersatzanspruches.
Voraussetzung dafür ist, dass die Dienstleistung unbrauchbar ist. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Mängelbeseitigung nicht möglich ist, sondern eine Neuanfertigung erfolgen muss (KG Berlin Beschluss vom 01.07.2010 – Az. 20 W 23/10; OLG Oldenburg Urteil vom 27.2.2008 – Az. 5 U 22/07). In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob der Patient den Zahnersatz zum Zeitpunkt des Prozesses – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht hat erneuern lassen (KG Berlin Beschluss vom 01.07.2010 – Az. 20 W 23/10; OLG Oldenburg Urteil vom 27.2.2008 – Az. 5 U 22/07). Entscheidend ist allein, ob eine Neuanfertigung aus zahnmedizinischen Gründen erforderlich ist (KG Berlin Beschluss vom 01.07.2010 -Az. 20 W 23/10; OLG Oldenburg Urteil vom 27.2.2008 -Az. 5 U 22/07).
Es ist nicht mehr aufklärbar, ob die von der Zedentin erbrachte Dienstleistung bezüglich der Oberkieferprothese mangelhaft erfolgte. Die Oberkieferprothese zerbrach und wurde nach dem Bruch unfachmännisch wieder geklebt. Sie kann daher nicht mehr in ihrem Originalzustand begutachtet werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. *** kann nicht mehr rekonstruiert werden, worauf der Bruch zurückzuführen ist. Zwar stelle die Kurzlebigkeit des Zahnersatzes ein Indiz für eine mangelnde Qualität des Zahnersatzes dar, jedoch könne auch eine unsachgemäße Handhabung ursächlich gewesen sein. Es könne einerseits sein, dass die Prothese nicht richtig saß und daher brach, andererseits könne es sein, dass die Prothese durch eine Gewalteinwirkung brach. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die vom Beklagten zur Begutachtung vorgelegte Oberkieferprothese tatsächlich diejenige ist, die von der Zedentin gefertigt wurde, was die Klägerin bezweifelt. Jedenfalls konnte der Beklagte eine mangelhafte Behandlung durch die Zedentin in Bezug auf die Oberkieferprothese nicht nachweisen. Dies geht aufgrund der Beweislastverteilung zu seinen Lasten.
Die von der Zedentin erbrachte Dienstleistung bezüglich der Teilprothese des Unterkiefers ist unbrauchbar. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. ***, denen sich das Gericht anschließt, wurden die Teleskopkronen der Zähne 33 und 43 im Unterkiefer nicht lege artis gefertigt. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Kronenränder abstehen und mit der Sonde unterfahrbar sind. Ferner ist die Verblendung der Krone 33 abgeplatzt. Dies entspricht nicht den Regeln der ärztlichen Kunst, zumal die beiden Zähne, auf denen die Teleskopkronen sitzen, als Pfeiler geeignet waren. Sie waren klinisch fest und wiesen keinen Lockerungsgrad auf. Der Sachverständige hat den Einwand der Klägerin, dass der vorgefundene Zustand der Prothese auf eine schlechte Mundhygiene des Beklagten zurückzuführen sei, zurückgewiesen. Nach seiner Beurteilung handelt es sich vielmehr um Herstellungsmängel, die nicht im Zusammenhang mit der unzureichenden Mundhygiene des Beklagten stehen. Aufgrund der vorhandenen Mängel müssen die Teleskopkronen erneuert werden. Eine Wiederherstellung ist nach den eindeutigen Angaben des Sachverständigen nicht möglich. Daher ist eine Erneuerung der gesamten Teilprothese des Unterkiefers indiziert.
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an. Danach ist eine Mängelbeseitigung nicht möglich. Da die gesamte Teilprothese des Unterkiefers erneuert werden muss, ist die von der Zedentin gefertigte Teilprothese unbrauchbar im Sinne der oben zitieren Rechtsprechung.
Nach alledem ist der Beklagte nicht verpflichtet, das Honorar für die Teilprothese des Unterkiefers zu entrichten. Er schuldete daher ursprünglich nur das Honorar für die Oberkieferprothese. Unter Zugrundelegung der Liquidation vom 06.08.2009 (Anlage K2, Bl. 6 ff d.A.) beläuft sich das Honorar für die Behandlung des Oberkiefers auf insgesamt 550,00 €. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige Dr. *** hat die Zusammensetzung der Kosten in nachvollziehbarer Weise erläutert. Auf die im Sitzungsprotokoll vom 08.07.2011 (Bl. 157 d.A.) festgehaltenen Ausführungen des Sachverständigen, die sich das Gericht zu Eigen macht, wird verwiesen. In den angesetzten 550,00 € sind sowohl die Arzt- als auch die Laborkosten enthalten. Diese Kosten sind nach den Feststellungen des Sachverständigen ordnungsgemäß abgerechnet und angemessen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Prothese vereinbarungsgemäß in Thailand gefertigt wurde.
Der ursprünglich gegebene Honoraranspruch der Klägerin in Höhe von 550,00 € ist aufgrund der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.
Dem Beklagten stand insofern ein aufrechenbarer Gegenanspruch in Form eines Schmerzensgeldanspruchs nach §§611, 280 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB zu, den er der Klägerin gemäß §406 BGB entgegenhalten kann. Der Beklagte hat nachgewiesen, dass die Teilprothese des Unterkiefers unbrauchbar ist. Dabei stellte der Sachverständige Dr. *** fest, dass der von der Zedentin gefertigte Zahnersatz des Unterkiefers nicht funktionstüchtig ist. Dies führt zwangsläufig zu Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme, unter denen der Beklagte seit nunmehr ca. 2 Jahren leidet. Dass der Beklagte eine Neuversorgung wegen des laufenden Verfahrens zunächst zurückgestellt hat, ist verständlich und kann ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die erlittenen Beschwerden rechtfertigen einen Schmerzensgeldanspruch, der sich der Höhe nach jedenfalls auf 550,00 € beläuft.
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11,709,711 ZPO.
Gebührenstreitwert: 4.094,62 € (§ 45 Abs. 3 GKG)